Zeit zurückgedreht: Stadtverordnete führen generisches Maskulinum ein!

Durch einen interfraktionellen Antrag der CDU, FDP und KfB wurde für die Geschäftsordnung der Stadtverordnetenversammlung wieder das generische Maskulinum eingeführt. Unsere Haltung wird durch die Rede von Bettina Trittmann mehr als deutlich. Die AG Kronberger Frauenverbände kritisiert diesen Stadtverordneten-Beschluss als "einen Rückschritt bei dem Versuch dar, Frauen mit Männern gleichzustellen".

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher Knoche,

sehr geehrte Stadtverordnete, liebe Gäste im Saal, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

wir geben uns eine neue, eine überarbeitete Geschäftsord­nung. Notwendig wurde das, weil der Gesetzgeber die Aus­länderbeiräte gestärkt und mit Antragsrechten versehen hat, die unserer bisherigen GeschO fehlten. 

Das haben wir Grüne zum Anlass genommen, die Rechte der Jugendlichen in Kronberg zu stärken. Der Jugendrat hat künftig in allen die Jugend betreffenden Angelegenheiten die gleichen Rechte wie der Ausländerbeirat. So kann sich diese wichtige Gruppe endlich Gehör verschaffen – denn wählen oder gewählt werden können unsere Jugendlichen ja leider (noch) nicht.

Alle Fraktionen begrüßen das - wieso werden dann darüber noch Reden gehalten? Weil Reden einen Unterschied ma­chen, weil Worte unser Bewusstsein und damit die Wirklich­keit verändern – das sehen offenbar auch die Fraktionen so, die mit einem Änderungsantrag u.a. die geschlechtsneutrale Sprache des Textes ändern und ins letzte Jahrhundert zu­rückdrehen wollen.

Wie wichtig Worte auch Ihnen sind, liebe Kolleginnen und Kollegen, zeigt Ihr Wunsch nach namentlichen Abstimmun­gen und Nennung der Fraktionen bei Abstimmungen, den wir so nicht teilen können. Sie versprechen sich davon wohl ein intensiveres Nachdenken und ein klareres Bekenntnis zur eigenen Stimmabgabe – nun: Wir Grüne haben keinen Zweifel daran, dass jedes Mitglied unserer Versammlung in­tensiv nachdenkt und sich klar zur eigenen Stimmabgabe bekennt. Dafür braucht es keine zeitraubende Namens­nen­nung – die, ehrlich gesagt, eher nach einem Pranger aus­sieht, zumal jede Person im Raum sehen kann, wer von uns wie abgestimmt hat.

Diesen Antrag, der u.E. vor allem Zeit kostet, würden wir evtl. noch hinnehmen – was wir aber nicht hinnehmen können und wollen, ist dass Sie, verehrte Kolle­ginnen und Kollegen, zu­rückkehren wollen zu einer Sprache, in der allein die männliche Form verwendet wird und Frauen nur als Fußnote vorkommen. 

Einen solch konservativen Vorschlag hatte ich lange nicht in der Hand, bis ich Ihnen hier in der Stadtverordneten­ver­sammlung begegnet bin; und nun kommt er schon zum drit­ten Mal! Selbst der (sicher nicht als progressiv verschriene) Standard-Kommentar zum Hessischen Gleichstellungsge­setz hält es für ausgeschlossen, dass Verwaltungsbehörden sich heutzutage noch auf das sog. generische Maskulinum stützen. Und ja, auch die Stadtverordnetenversammlung ist Teil der kommunalen Verwaltung.

Bevor nun Protest oder Heiterkeit ausbrechen, stelle ich klar, dass es in dem vorgelegten Entwurf NICHT um Gender­stern­chen, Doppelpunkte oder Binnen-Is geht. Wer das anführt, hat den Text nicht gelesen; darin finden Sie das alles nicht! Stattdessen finden Sie dort die Formen, die die Ges’t. für Deutsche Sprache in ihren Leitlinien vorschlägt. 

Warum halten wir GRÜNE das für wichtig? Weil Sprache un­sere Wahrnehmung lenkt – das ist keine neue Erkenntnis. Sprache spiegelt nicht nur Realität, sie schafft auch Realität. Deshalb ist es wichtig, die im Grundgesetz verankerte Gleichberechtigung von Männern und Frauen auch sprach­lich umzusetzen. Und eben künftig auch die Möglichkeit einer Bürgermeisterin ausdrücklich in unsere Geschäftsord­nung aufzunehmen, auch wenn wir, Frau Fröhlich, keine Frau in diesem Amt haben.

Das geht, ohne dass der Text dadurch verstümmelt wird; überzeugen Sie sich selbst: Der Text ist verständlich, lesbar, vorlesbar, grammatisch korrekt und eindeutig. Ob er „schön“ zu lesen ist? Naja, Verwaltungsvorschriften sind nunmal keine Poesie.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie darum, den mit dem Änderungsantrag gewünschten Schritt zurück nicht mitzugehen, son­dern eindeutig zu zeigen, dass wir Frauen und Männern in unserer StVV gleiche Rechte zugestehen – und deswegen beide Geschlechter gleichberechtigt nennen!

Dem Änderungsantrag können wir aus diesem Grund nicht zustimmen, wohl aber der von der Verwaltung vorgelegten Fassung – ob mit oder ohne unseren kleinen sprachlichen Verbes­se­rungs­vorschlag.



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